Die Corona-Pandemie hat Österreichs Sport-Community stark zugesetzt. Wie sehr, zeigt nun eine umfassende - von Sport Austria unterstützte - Studie "aktives Sportverhalten und passiver Sportkonsum" durch die OBSERVER Brand Intelligence GmbH.
Um die Auswirkung der aktuellen Gesundheitskrise auf den Sport aufzuzeigen, wurden im Oktober 2020 2.000 Personen aus allen demographischen Gruppen (regional, Einkommen, Alter, Geschlecht) repräsentativ befragt. Das Ergebnis auf den Punkt gebracht: Sport ist für einen Großteil der Bevölkerung (66%) wichtig, hat aber besonders gelitten! Die aktive Ausübung sowie der passive Konsum sind zurückgegangen. Schlecht für die Gesundheit, schlecht für die wirtschaftliche Situation des Sports in Österreich. Aktuell arbeitet Sport Austria mit den Dach- und Fachverbänden sowie dem Sportministerium an einem Weg aus der Krise.
Rückläufiger Aktivitätslevel!
Die sportliche Aktivität hat sich insgesamt über alle Altersgruppen verschlechtert. Im Beobachtungszeitraum (Oktober 2020 noch vor dem 2. Lockdown) haben knapp ein Drittel der Befragten (28%) weniger Sport betrieben als zuvor! Das Sport- und Freizeitverhalten hat sich also durch Lockdown-Erfahrungen und die weiteren tatsächlichen und empfundenen Einschränkungen massiv verändert. Auffallend: Mehr als doppelt so viele über 70-Jährige haben sich weniger bewegt als unter 29-Jährige mehr Sport betrieben haben. Ein interessantes Ergebnis gibt es auch beim medialen Sport-Konsum: Während Sport im TV um 10% mehr konsumiert wurde, hat der Sport-Streamingbereich um 9%-Punkte abgenommen. Dieser ist vor allem für kleinere Sportarten von größerer Bedeutung. Weniger überraschend: Sportveranstaltungen wurden von den Befragten um 59% seltener besucht als in Vorkrisenzeiten.
Rückläufige Wertschöpfung! (Quelle: SPORTUNION/SportsEconAustria)
Mit einem Wertschöpfungs-Minus von mindestens 30% im Jahr 2020 wird der durch das Corona-Virus verursachte Schaden in der Sportwirtschaft knapp viermal höher als in der Gesamtwirtschaft ausfallen! Insgesamt stehen rund 90.000 Arbeitsplätze (indirekt 300.000) im gesamten Netzwerk Sport auf dem Spiel. Für 3 von 4 Vereinen spiegelt sich die Pandemie in reduzierten Einnahmen wider, für mehr als jeden zweiten Verein bedeutet das, dass auch die Ausgaben unmittelbar reduziert werden müssen. Insgesamt wird der Schaden – allein bei den Vereinen – bei mindestens 175 Mio. Euro liegen.
Darum müssen wir uns mehr bewegen! (Quelle: SportsEconAustria)
Wie wichtig ein gut funktionierender Breiten- und Spitzensport für Österreichs Volkswirtschaft ist, zeigen zwei Kennzahlen: Mit einem Anteil von 5,75% wird im Netzwerk Sport ein Wertschöpfungsbeitrag erwirtschaftet, der mit jenem der Bauwirtschaft und des Tourismus vergleichbar ist. Jeder 14. Arbeitsplatz wird derzeit unmittelbar oder mittelbar durch die Sportbranche abgesichert. Außerdem ist der Sport mit 7,1 Mrd. Euro an fiskalischen Abgaben für 3,7% der staatlichen Einnahmen verantwortlich. Im Gesundheitsbereich ersparen Sport und Bewegung dem Staat in Normalzeiten jährlich rund 530 Mio. Euro, Unfallkosten bereits abgezogen. Und dies, obwohl die Bewegungshäufigkeit der Bevölkerung noch stark ausbaufähig wäre: denn bereits vor der Krise haben sich 30% der Bevölkerung nicht ausreichend bewegt, waren außerdem 30% der Kinder fettleibig und adipös. Würden sich nur 10% der Bevölkerung mehr bewegen, kämen weitere 100 Mio. Euro Ersparnis pro Jahr dazu. Da die Observer-Studie aber zeigt, dass sich krisenbedingt rund 28% weniger bewegen, muss hier stark gegengesteuert werden. Aus Zahlen der Statistik Austria ist abzuleiten, dass in Österreich schon jetzt pro Jahr rund 7.800 Menschen an den Folgen von Bewegungsmangel sterben. Nun kommen noch die Folgen des Lockdowns dazu... Vom Berufsverband Österreichischer Internisten wissen wir, dass sich der Gesundheitszustand der österreichischen Bevölkerung im 1. Lockdown durch Bewegungsmangel verschlechtert hat und bei vielen Körpergewicht, Blutzucker und Blutdruck gestiegen sind. Deshalb ist es so wichtig, das umfangreiche Angebot der 15.000 Sportvereine – sobald es die Infektionszahlen zulassen – rasch wieder hochzufahren.
Die Observer-Studie im Detail
In der Studie von Oktober 2020 wurden 2.000 Personen über die Bedeutung von Sport in Ihrem Leben befragt. 66% gaben an, dass Sport eher wichtig in ihrem Leben ist. 24%, dass er sehr wichtig für sie ist. Bei Männern war die Aussage noch stärker (70%) als bei Frauen (61%), wobei der Unterschied relativ gering ist. Der Abstand bei sehr wichtig ist deutlicher (27 vs. 17%).
Noch signifikanter ist die Bedeutung von Sport für die unter 29-Jährigen. Wobei die Bedeutung in der Alterspyramide in Summe abnimmt. Allerdings bleibt die Veränderung bei der Zuordnung "sehr wichtig" ab 29 Jahren konstant. Der ebenfalls abgefragte Geburtsort in oder außerhalb Österreich zeigt eine etwas höhere Bedeutung des Sports unter den nicht in Österreich geborenen Personen, wobei dies auch durch die etwas jüngere Altersstruktur beeinflusst ist.
Das Sport- und Freizeitverhalten hat sich massiv verändert durch die mehrfachen Lockdown-Erfahrungen und die weiteren tatsächlichen und empfundenen Einschränkungen. Die Befragung hat Anfang Oktober noch vor dem zweiten großen Lockdown stattgefunden. Damit war sie in einem eher günstigen Umfeld mit den Erfahrungen des relativ unbelasteten Sommers als Hintergrund. Somit ist davon auszugehen, dass eine Befragung zu einem späteren Zeitpunkt wohl noch deutlich größere Einschränkungen zeigen würde.
Knapp ein Drittel der Befragten (28%) haben weniger Sport betrieben. Dieser Anteil ist über alle demographischen Gruppen ähnlich. Demgegenüber steht ein uneinheitlicheres Bild von Personen, die angeben mehr Sport betrieben zu haben. Die einzigen, die den Saldo ins Plus drehen können, sind die unter 29-Jährigen. Alle anderen Gruppen haben einen negativen Saldo. Besonders stark betroffen sind die 50 bis 69-Jährigen und vor allem die über 70-Jährigen, wo nur 14 bzw. gar nur 5% angegeben haben, mehr Sport betrieben zu haben.
Bemerkenswert ist, dass Frauen signifikant ihre sportliche Tätigkeit ausgebaut haben. 22% gaben an, mehr Sport aktiv betrieben zu haben, während dies bei nur 17% der Männer der Fall war. In der Darstellung des Saldos zeigt sich nochmals deutlich das negative Bild, das durch Corona und die verhängten Maßnahmen entstanden ist.
Ein differenziertes Bild zeigt sich beim passiven Sport, also dem Konsum von Sport in den Medien und live. Sportveranstaltungen wurden zu 59% seltener besucht, wobei es immerhin 3% gab, die den Besuch ausgebaut haben. Nicht abgefragt wurde das Niveau vor den Corona-Maßnahmen, somit sind diese 3% auch eine Plausibilisierung der Daten. Der Sport-Konsum im linearen Fernsehen wurde getrennt von den Video-Streamingdiensten unterschieden abgefragt. Gerade für Sport-Interessierte ist das Angebot hier sehr stark. Einerseits in den Breitensport-Arten, aber auch im Bereich vom Interesse an Sportarten, die es seltener ins Primetime-Fernsehen schaffen oder in Österreich weniger Aufmerksamkeit bekommen.
Immerhin 18 bzw. 25% geben an weniger konsumiert zu haben, was vor allem an den fehlenden Gelegenheiten wegen Veranstaltungsabsagen lag. Diese betreffen die Sportarten, SportlerInnen und Veranstalter wirtschaftlich ganz besonders hart. Für die Sportarten, die stattfanden und auch übertragen wurden, wurde von 28% im TV mehr Zeit investiert. Das zeigt, dass das Bedürfnis und Zeit jeweils vorhanden waren und auf ein verknapptes Angebot stießen. Interessanterweise konnte Streaming weniger davon profitieren und hat auch einen negativen Saldo (- 9%-Punkte) im Vergleich zum linearen Fernsehen (+ 10%-Punkte).
Abschließend lässt sich für den heimischen Sport sagen, dass er in der Priorität der Menschen hoch angesiedelt ist und zu einem relevanten Teil des Lebens für den Großteil der Bevölkerung zählt. Sport ist also ein Thema für alle. Die Auswirkungen von Corona sind jedoch eine massive Belastung für die Sport-Organisationen auf allen Ebenen. Die Live-Events wurden nicht besucht, das für kleinere Sportarten relevantere Streaming-Angebot wurde zu einem geringeren Ausmaß angenommen. Das sind zwei wirtschaftliche Tiefschläge. Die deutlich eingeschränkte sportliche Aktivität ist der massivste Schlag ins Kontor für die heimischen Vereine.
Die gesundheitsfördernde Bedeutung der Bewegung und sportlichen Aktivität ist gerade in den höheren Altersklassen anerkannt groß. Hier besteht die Gefahr, dass sich nachhaltige negative Effekte aus dem geänderten Verhalten für die gesamte Gesundheit der Bevölkerung - mit mittelbarer Auswirkung auf das schon gestresste Gesundheitssystem - verfestigen.